Definition von „Norm“ in der Europäischen Union

Nach der Definition der Europäischen Union [1] handelt es sich bei einer Norm um eine von einer anerkannten Normungsorganisation angenommene technische Spezifikation zur wiederholten oder ständigen Anwendung, deren Einhaltung nicht zwingend ist. (siehe dazu auch den Beitrag Europäische Normen oder harmonisierte europäische Normen)

Beim kritischen Leser dieser europaweit gültigen Definition taucht natürlich sofort die Frage auf, wie es dann dennoch dazu kommen kann, dass Normen zwingend eingehalten werden müssen. Dies vor allem auch deswegen, weil wir in Österreich – einer langen Tradition folgend – im Bereich der Errichtung elektrischer Niederspannungsanlagen (aber nicht nur in diesem Bereich) immer wieder von sogenannten „verbindlichen Normen“ sprechen.

Normen als Vertragsbestandteil

Werden konkrete Normen in privatrechtlich abgeschlossenen Verträgen (im Idealfall durch Beifügung des Ausgabedatums der Norm und gegebenenfalls durch Nennung einzelner konkreter Anforderungen) als Verpflichtung für die Vertragspartner genannt, dann sind sie von den Vertragspartnern einzuhalten. Dies betrifft natürlich alle in diesen Vereinbarungen genannte Normen und Anforderungen, seien es nationale, europäische, internationale oder auch spezielle Werksnormen.

Es gibt für diese Verpflichtung jedoch auch Grenzen. Grenzen der Art, dass in einer vertraglichen Vereinbarung, ein konkretes Projekt betreffend, nicht jeglicher generelle Verweis auf anzuwendende technische Normen und Richtlinien (vor allem wenn es sich um sehr komplexe und umfangreiche Regelwerke handelt) zulässig ist.

Auf dieses Thema möchte ich hier bewusst nicht näher eingehen, es existieren dazu jedoch eine Reihe von Feststellungen und Urteilen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs. Eine kleine Zusammenfassung aus juristischer Sicht ist in [2] enthalten.

Normen in Gesetzen und Verordnungen

Nicht nur in privatrechtlichen Verträgen, sondern auch in Gesetzen, Verordnungen und auch amtlichen Bescheiden von Behörden werden gerne – zum Zwecke der Spezifikation von technischen Anforderungen – Normen angeführt.

Ein schönes Beispiel dafür liefert die österreichische Elektrotechnikverordnung (ETV 2020), wie auch die Verordnungen zum Elektrotechnikgesetz in den vergangenen Jahrzehnten, in der für die rechtskonforme Errichtung und den Betrieb von elektrischen Anlagen konkrete Normen genannt sind.

Darüber hinaus wird (erstmals) in der ETV 2020 [3] noch zwischen verbindlichen elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften und kundgemachten elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften unterschieden.

Rein österreichische elektrotechnische Normen können durch Gesetz oder Verordnung zur Gänze oder teilweise verbindlich erklärt werden und erhalten dadurch gleichsam „Gesetzescharakter“.

Werden Normen in der ETV 2020 jedoch im Bundesgesetzblatt „nur kundgemacht“ dann gilt für diese (kundgemachten) Normen keine Verbindlichkeit, jedoch legt der Gesetzgeber fest, dass bei Anwendung dieser Klasse von Normen, die Anforderungen an die Sicherheit gemäß Elektrotechnikgesetz [4] als erfüllt angesehen werden kann. (Auch diese Festlegung wird in der ETV 2020 für Spezialfälle noch weiter eingeschränkt, darauf möchte ich hier jedoch nicht näher eingehen; detailliertere Hinweise findet man dazu in der ETV 2020 § 4).

Meine erläuternden Fachbeiträge zur Elektrotechnikverordnung 2020 gemeinsam mit dem Originaltext der Verordnung finden Sie als zip-Datei hier. Download (1 MB)

Literaturhinweise

[1] ABl. L 316; Verordnung (EU) 1025/2012 vom 25. Oktober 2012 zur europäischen Normung

[2] Triendl, F-J., ÖNORMEN und sonstige technische Richtlinien in Auflage anlagenrechtlicher Bescheide; ecolex, Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht; 2007 Seiten 641-644; Manz’sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, 1014 Wien

[3] BGBl. II/308/2020; Verordnung der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort über Sicherheit, Normalisierung und Typisierung elektrischer Betriebsmittel und elektrischer Anlagen (Elektrotechnikverordnung 2020 – ETV 2020)

[4] Sicherheitsmaßnahmen auf dem Gebiet der Elektrotechnik gemäß Elektrotechnikgesetz § 3, Abs. 1 und 2 [5]

[5] BGBl. 106/1993; Elektrotechnikgesetz 1992, in der Fassung BGBl. I/204/2022

[6] Mörx, A., Fachbeiträge zur Elektrotechnikverordnung 2020 gemeinsam mit dem Originaltext der Verordnung Download (1 MB)

 

Autor: Alfred Mörx; E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. 

 

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